Typ-2-Diabetes: Eine stille Volkskrankheit
Diabetes mellitus gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. Auch in der Schweiz ist die Krankheit weit verbreitet: Rund 5 % der Bevölkerung sind betroffen, bei den über 65-Jährigen liegt der Anteil sogar bei rund 12 %. Der Grossteil dieser Betroffenen leidet an Typ-2-Diabetes (1).
Was ist Diabetes?
Diabetes ist eine Erkrankung, bei der der Körper Schwierigkeiten hat, den Blutzuckerspiegel durch Insulin zu regulieren. Die häufigste Form ist der Typ-2-Diabetes, der vorwiegend durch ungesunde Lebensgewohnheiten wie Übergewicht, unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel entsteht. Im Gegensatz dazu tritt Typ-1-Diabetes meist schon im Kindes- oder Jugendalter auf und hat andere Ursachen. Bei Typ-1-Diabetes produziert der Körper nur wenig oder gar kein Insulin.
Wie entsteht Typ-2-Diabetes?
Typ-2-Diabetes entwickelt sich häufig schleichend und bleibt daher lange unentdeckt. Zu Beginn tritt meist eine sogenannte Insulinresistenz auf: Die Körperzellen reagieren zunehmend weniger empfindlich auf das Hormon Insulin, wodurch der Blutzuckerspiegel längere Zeit erhöht bleibt.
Warum ist Typ-2-Diabetes gefährlich?
Bleibt der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, kann dies zu erheblichen Schäden im Körper führen. Mögliche Folgeerkrankungen sind Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschäden, Nervenschäden (Neuropathien) sowie das diabetische Fusssyndrom, bei dem Wunden am Fuss nur schwer heilen. Diese können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und verursachen hohe Kosten für das Gesundheitssystem.
Physiotherapie wirkt: Effektiv und nachhaltig
Bewegung ist eine zentrale Säule in der Vorbeugung und Behandlung von Typ-2-Diabetes (2-5). Genau hier setzt die Physiotherapie an: Sie unterstützt Betroffene dabei, ihre körperliche Aktivität gezielt zu steigern und gesunde Bewegungsgewohnheiten zu entwickeln.
Zentrale physiotherapeutische Massnahmen sind:
- Regelmässige, angeleitete Bewegungseinheiten im aeroben Bereich
Aktivitäten wie zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen verbessern die Blutzuckerwerte und steigern die Insulinempfindlichkeit. Wichtig ist, dass das Training unter fachkundiger Anleitung erfolgt, um die Wirksamkeit zu gewährleisten und gleichzeitig die Sicherheit zu erhöhen. - Gezielte Kräftigungsübungen mit physiotherapeutischer Begleitung
Muskelaufbau ist für einen aktiven Stoffwechsel von entscheidender Bedeutung. Eine erhöhte Muskelmasse führt zu einem höheren Energieverbrauch, was sich positiv auf das Körpergewicht und den Blutzuckerspiegel auswirkt. - Individuell angepasste Trainingspläne
Jede Person ist einzigartig. Daher werden die Bewegungsprogramme individuell auf das persönliche Leistungsniveau abgestimmt, ebenso an mögliche Begleiterkrankungen wie Polyneuropathien oder Gelenkprobleme. - Schulung und Beratung für den Alltag
Bewegung sollte nicht nur Teil der Therapie sein, sondern zu einem festen Bestandteil des Alltags werden. Die Physiotherapie vermittelt praktische Tipps und fördert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – für mehr Selbstständigkeit und Lebensfreude.
Ziel der physiotherapeutischen Behandlung ist es, die Blutzuckerkontrolle zu verbessern, Folgeerkrankungen vorzubeugen und die Lebensqualität langfristig zu steigern.
Wissenschaftlich belegt: Physiotherapie zahlt sich aus
Die Studie der Berner Fachhochschule(BFH) zeigt klar (6): Physiotherapie bei Typ-2-Diabetes wirkt und spart Kosten. Wer sich regelmässig bewegt, hat ein geringeres Risiko für teure Folgebehandlungen und bleibt insgesamt gesünder.
Warum Physiotherapie mehr ist als nur Bewegung
Physiotherapeut:innen verbinden medizinisches Fachwissen mit praktischen Fähigkeiten und klinischer Erfahrung. Ihre Behandlungen basieren auf einer physiotherapeutischen Diagnose, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem individuellen Therapieziel.
Im Zentrum stehen eine gezielte, therapeutische Behandlung, Beratung und Instruktion – abgestimmt auf den Gesundheitszustand und die Ressourcen der Patient:innen. Ziel ist es, Beschwerden zu lindern, Funktionen zu verbessern und die Selbstständigkeit zu fördern.
Die Behandlung umfasst
- Aktive Massnahmen wie Bewegungstherapie, Training oder Atemtherapie
- Passive Techniken wie manuelle Therapie
Literaturhinweise
(1) Bundesamt für Statistik (BFS). Diabetes [Internet]. Neuchâtel: BFS; 2022 [zitiert am 6. April 2025]. Verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankheiten/diabetes.html
(2) König D, Berg A. Bewegung als Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2. Internist. 2012;53:678-687.
(3) Colberg SR, Sigal RJ, Yardley JE, et al. Physical Activity/Exercise and Diabetes: A Position Statement of the American Diabetes Association. Diabetes Care. 2016;39(11):2065-2079.
(4) Kanaley JA, Colberg SR, Corcoran MH, Malin SK, Rodriguez NR, Crespo CJ, Kirwan JP, Zierath JR. Exercise/Physical Activity in Individuals with Type 2 Diabetes: A Consensus Statement from the American College of Sports Medicine. Med Sci Sports Exerc. 2022 Feb 1;54(2):353-368.
(5) Liu L, Ma X, Xu H, Ruan S, Yuan X. Comparing the effects of 12 months aerobic exercise and resistance training on glucose metabolism among prediabetes phenotype: A explorative randomized controlled trial. Prim Care Diabetes. 2021;15(2):340–6. doi:10.1016/j.pcd.2020.11.003.
(6) Schurz A, Taeymans J, Baur H, Lutz N. Endbericht zur Rolle der Physiotherapie bei nichtübertragbaren Krankheiten (NCD) und Stürzen in der Schweiz. Bern: Berner Fachhochschule; 2024.