Domizilbehandlungen: Interprofessionalität in der Westschweiz weist Defizite auf
Physioswiss setzt sich für die Weiterentwicklung der Qualität in der Physiotherapie ein. Doch das bedeutet auch Aufwand und verursacht Kosten. Wer für diese aufkommen soll, darüber sind sich die Leistungserbringerverbände und der Bundesrat nicht einig.
Für Physioswiss und seine Mitglieder hat Qualität einen hohen Stellenwert. Als Verband bildet Physioswiss die Brücke zwischen den übergeordneten politischen Zielen des Bundes beziehungsweise der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) und den Physiotherapeut:innen. Einerseits muss Physioswiss sicherstellen, dass die Qualitätsvorgaben des Bundes eingehalten werden. Anderseits hat der Verband die Aufgabe, optimale Voraussetzungen für qualitativ hochwertige Therapieangebote zu schaffen.
Physioswiss fordert seine Mitglieder auf, sich aktiv für die Förderung der Qualität einzusetzen. Dabei geht es um mehr als nur die Patientenversorgung; Struktur-, Prozess-, Ergebnis- und Indikationsqualität haben einen ebenso hohen Stellenwert.
Damit Patient:innen von qualitativ hochstehenden physiotherapeutischen Leistungen profitieren, sind gute Qualifikationen und Kompetenzen der Physiotherapeut:innen zentral. Der physiotherapeutische Alltag bringt so manche Herausforderung mit sich. Ausserdem befindet sich das Gesundheitswesen in einer Transformation. Es braucht eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung, um bei der rasanten Entwicklung mithalten zu können.
Physioswiss ist überzeugt, dass lebenslanges Lernen ein wichtiger Pfeiler ist, um in der Physiotherapie hohe Qualität zu erreichen. Weitere wichtige Faktoren sind die Infrastruktur und die Ausstattung von Praxen: Die Ansprüche an die Behandlungsräume und an den Trainingsbereich sind gestiegen. Das bedeutet aber nicht zwingend einen immensen Gerätepark (Haugen et al., 2023; Heidel et al., 2022). Die aktuelle Literatur zeigt, dass primär die Spezifität der Übungen und die korrekt gewählte Belastung die zentralen Elemente eines effektiven Trainings sind (Garber et al., 2011).
Auch die Digitalisierung von Prozessen bietet Chancen zur Qualitätsverbesserung, da sie die Effizienz im Alltag erhöht. Gemäss einer internen Studie von Physioswiss dokumentieren rund 70 Prozent der befragten Physiotherapeut:innen Befundaufnahme und Therapieverlauf auf Papier. Physioswiss prüft im Rahmen der nächsten Strategieentwicklung den Digitalisierungsreifegrad in der physiotherapeutischen Praxis, um anschliessend geeignete Massnahmen zur Umsetzung zu definieren. Dies dient zum Beispiel dazu, den künftigen Anforderungen des elektronischen Patientendossiers (EPD) gerecht zu werden.
Mit der Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) Art. 58 zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit und Qualität hat der Bundesrat den Grundstein gelegt, die Qualität in der Gesundheitsversorgung zu stärken. Ziel ist eine systematische und strukturierte Verbesserung der Qualität der Leistungen. Physioswiss befürwortet diese Stossrichtung grundsätzlich. Jedoch distanziert sich der Verband von der aktuellen Haltung über die Finanzierung der zu erbringenden Leistungen (Kasten). Der Bundesrat hat kurz nach Inkraftsetzung der KVG-Revision die Spielregeln für die Qualitätsstrategie geändert. Er hält fest: «Damit Leistungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet werden, wird vom Gesetzgeber vorausgesetzt, dass diese die notwendige Qualität aufweisen. Die notwendige Qualität schliesst auch die Qualitätsentwicklung ein. Die Qualitätsentwicklung ist somit bereits Teil der durch die OKP vergüteten Leistungen. Eine zusätzliche Finanzierung von Qualitätsmassnahmen auf der Meso- und Mikroebene ist damit nicht vorgesehen.»
Physioswiss nahm 2021 im Rahmen des Konsultationsverfahrens Stellung zur Strategie und den Vierjahreszielen des Bundes.
Physioswiss erachtet dies als höchst problematisch. Denn es bedeutet, dass sowohl Physioswiss (Mesoebene) als auch die Physiotherapeut:innen (Mikroebene) die Verantwortung für die Durchführung einer qualitativ hochstehenden Leistung tragen.
Eine finanzielle Vergütung ist für die neuen Bestimmungen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung im Rahmen des Qualitätsvertrags nicht vorgesehen. Für die Physiotherapeut:innen und Physioswiss sind aber erhebliche zeitliche sowie administrative Mehraufwände nötig, um die vom Bund definierten Qualitätsziele zu erreichen. Physioswiss ist der Auffassung, dass diese Aufwände zusätzlich vergütet werden müssen.
Aufgrund der ungeklärten Finanzierungsfrage haben die Verbände der Versicherer die Verhandlungen der Qualitätsverträge vorläufig pausiert. Nur bei H+ Die Spitäler der Schweiz ging es kürzlich vorwärts: Der Bundesrat genehmigte deren Qualitätsvertrag am 22. Mai 2024. Es ist der erste Qualitätsvertrag im Gesundheitswesen und kann den anderen Berufsverbänden nun als Vorlage dienen. Dazu müssen diese aber die Inhalte an die ambulanten Rahmenbedingungen anpassen. Physioswiss investierte bereits viele Ressourcen in die Vorbereitung eines eigenen Qualitätsvertrags und hofft, dass die Verbände der Versicherer ebenfalls bereit sind, die Gespräche im zweiten Halbjahr 2024 wieder aufzunehmen.
Eine der Grundlagen für das Qualitätskonzept 2017 von Physioswiss bilden die Q-Tools. Sie orientieren sich an der Qualitätsstrategie des Bundes, beleuchten alle vier Dimensionen der Qualitätssicherung (Struktur-, Prozess-, Ergebnis- und Indikationsqualität) und können mit einem vernünftigen Aufwand im Praxisalltag umgesetzt werden. Mit den Checklisten und Fragebögen können die Physioswiss-Mitglieder ihre Prozesse und Strukturen verbessern. Diese routinemässige Evaluation dient als Selbstdeklaration und als Nachweis einer qualitativ hochstehenden Dienstleistung.
Die Q-Tools sind zu finden im Mitgliederportal.
Garber, C. E., Blissmer, B., Deschenes, M. R., Franklin, B. A., Lamonte, M. J., Lee, I. M., Nieman, D. C., & Swain, D. P. (2011). American College of Sports Medicine position stand. Quantity and quality of exercise for developing and maintaining cardiorespiratory, musculoskeletal, and neuromotor fitness in apparently healthy adults: guidance for prescribing exercise. Med Sci Sports Exerc, 43(7), 1334-1359. https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e318213fefb
Haugen, M. E., Vårvik, F. T., Larsen, S., Haugen, A. S., van den Tillaar, R., & Bjørnsen, T. (2023). Effect of free-weight vs. machine-based strength training on maximal strength, hypertrophy and jump performance – a systematic review and meta-analysis. BMC Sports Sci Med Rehabil, 15(1), 103. https://doi.org/10.1186/s13102-023-00713-4
Heidel, K. A., Novak, Z. J., & Dankel, S. J. (2022). Machines and free weight exercises: a systematic review and meta-analysis comparing changes in muscle size, strength, and power. J Sports Med Phys Fitness, 62(8), 1061-1070. https://doi.org/10.23736/s0022-4707.21.12929-9