Kurz und bündig
Viele Menschen begnügen sich bei der Diagnose Diabetes Typ 2 mit Medikamenten. Für Verena Baumberger war die Diagnose der Wendepunkt. Ob Spaziergänge in der Natur, Medizinische Trainingstherapie (MTT) am Kantonsspital Olten oder Gartenarbeit – durch regelmässige Bewegung geht es ihr heute besser denn je.
Text und Fotos: Fabienne Reinhard
«Verena Baumberger ist ein Paradebeispiel dafür, was Bewegung bei Diabetes Typ 2 bewirken kann», lobt André Steiger, Fachleiter Physiotherapie des Kantonsspitals Olten. Wer die 68-Jährige heute im Fitnessraum sieht, erkennt kaum, dass sie einst 60 Kilogramm mehr wog. Zwei Mal pro Woche trainiert sie unter Aufsicht in der MTT – einem Bewegungsangebot des DIAfit-Sportprogramms (vgl. Kasten) der regionalen Diabetesgesellschaft Solothurn.
Neben MTT umfasst das regionale DIAfit-Sportprogramm die Gruppenaktivitäten «ZämeWalke» und AquaGymnastik. «Je nach körperlicher Einschränkung sind gewisse Sportarten besser und manche weniger gut geeignet» betont Christine Brodbeck, Leiterin des DIAfit-Sportprogramms. «Mit unserer diversifizierten Angebotspalette bieten wir allen Interessierten die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen – verteilt über die ganze Woche.» Die eidg. dipl. Sport- und Turnlehrerin sieht bei den Teilnehmenden eine Stabilisierung und Verbesserung der Lebensqualität. Zudem verzeichnet das Sportangebot eine steigende Anzahl Teilnehmende: «Das zeigt uns, dass wir mit dem DIAfit-Programm auf dem richtigen Weg sind und damit einen wichtigen Teil zur erfolgreichen Behandlung von Diabetes beitragen.»
Weitere Informationen zum DIAfit-Sportprogramm sind auf der Website von Diabetessolothurn zu finden.
Die Diagnose erhielt Baumberger vor etwas mehr als zehn Jahren während eines Spitalaufenthalts wegen einer Knieoperation. Noch im Rollstuhl sitzend, wurde sie zur Diabetesberatung begleitet. Schon vor der Diagnose hatte sie wegen ihres Übergewichts begonnen, ihre Ernährung umzustellen – das Beratungsgespräch bestärkte sie, noch konsequenter zu werden. Seit ihrer Pensionierung vor vier Jahren wägt sie die Lebensmittel sogar genau ab, damit sie keine Resten hat und zu viel isst.
Den Entschluss, sich mehr zu bewegen, fasste Baumberger aus eigenem Antrieb: «Ich wusste, dass ich etwas machen musste.» So startete sie erst mit Schwimmen und profitierte später von den Sportangeboten der Diabetesgesellschaft Solothurn. Schnell stellte sie fest, dass ihr jede Bewegungsart gefällt. Und doch gab es auch Geräte, auf die sie in der MTT lieber verzichtet hätte. Vor allem der Ergometer war eine grosse Herausforderung für sie. «Mich in Ausdauer zu üben war heftig», erinnert sie sich. Auch Geräte wie die Beinpresse mied sie wegen ihrer Knieprobleme. Steiger, der die MTT des DIAfits beaufsichtigt, motivierte sie und half ihr beim Kraftaufbau. Mittlerweile nutzt sie den Ergometer zum Aufwärmen. «Heute fällt mir das Training leichter – es gehört einfach zu meinem Alltag.»

Ein weiterer Motivationsfaktor ist das gemeinsame Trainieren mit ihrem Partner und anderen Betroffenen. «Der soziale Kontakt spielt eine grosse Rolle», betont Steiger. «In der Gruppe macht Bewegung mehr Spass und fällt vielen leichter.» Auch aus therapeutischer Sicht hat Bewegung grosse Vorteile: «Regelmässige Aktivität verbessert die Insulinempfindlichkeit – dieser Effekt hält bis zu 19 Stunden an. Zudem schlafen aktive Menschen besser, sind ausgeglichener und stressresistenter», erklärt Steiger.
Kürzlich belegte eine Studie (vgl. Kasten) ausserdem, dass strukturierte Diabetes-Behandlungsprogramme langfristig erfolgreich sind. Das Beispiel des von SWICA und Medbase entwickelten Betreuungskonzepts zeigt: Die Kombination aus individueller Begleitung und Bewegung verbessert nicht nur die Lebensqualität – sie senkt auch die Behandlungskosten. «Es ist daher wichtig, dass motivierte Betroffene unterstützt werden», findet der Physiotherapeut.
Die Begleitevaluation des Disease-Management-Programms von SWICA und Medbase zeigt: Strukturierte Betreuung bei Diabetes Typ 2 kann die Behandlungsqualität steigern und gleichzeitig Kosten senken. Hier geht’s zur Studie.
«Viele Betroffene überlassen sich der Krankheit», muss Steiger feststellen. Gerade im Vergleich zu Herzinfarktpatient:innen falle es schwerer, Menschen mit Diabetes Typ 2 zur Bewegung zu motivieren. Dass Baumberger früh die Initiative ergriffen hat, war entscheidend: «Wenn sie heute noch 60 Kilogramm mehr hätte, wäre sie stark eingeschränkt», so der Physiotherapeut. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Patient:in, Hausarzt bzw. Hausärztin, Diabetolog:in, Ernährungsberater:in und Physiotherapeut:in – all das trage zum Erfolg bei.
Auch wenn sich Baumberger die Zeit für Bewegung freischaufeln muss, möchte sie die neue Gewohnheit nicht mehr missen. Die Vorteile überwiegen: «Obwohl ich heute älter bin, kann ich problemlos im Garten arbeiten – früher war das mit dem Gewicht kaum möglich.» «Die Lebensqualität ist eine andere», findet auch Steiger. Denn wer sich bewege, sei zufriedener – das wirke sich auf das gesamte Wohlbefinden aus.
Für die Zukunft wünscht sich Baumberger, dass ihre Gesundheit stabil bleibt. Denn Lebensqualität bedeutet für die Pensionärin auch, den Garten in voller Blüte zu erleben. «Ich habe diesen Frühling viele Stiefmütterchen gepflanzt – und das ganz ohne körperliche Beschwerden.»