Domizilbehandlungen: Interprofessionalität in der Westschweiz weist Defizite auf
Die Umstellung von analoger auf digitale Dokumentation ist in vielen Bereichen des Gesundheitswesens ein bedeutender Schritt in Richtung Effizienz und Zukunftsfähigkeit. Simon Benz, Inhaber der Physiotherapiepraxis Benz in Küttigen (AG), hat diesen Wandel über mehrere Jahre hinweg vollzogen. Im Interview teilt er seine Erfahrungen und gibt wertvolle Tipps für Praxen, die ebenfalls den Schritt in die Digitalisierung wagen möchten.
Text und Bild: Deborah Nydegger
Simon Benz: Die Umstellung war ein mehrjähriger Prozess, der viele Bereiche des Praxisalltags umfasste. Als ich 2016 meine Praxis eröffnet hatte, dokumentierte ich alles auf Papier, weil es mir übersichtlicher erschien. Damals brauchte ich aber einen digitalen Kalender, der mir half, Fehlplanungen zu reduzieren. Mit der Zeit wuchs das Bedürfnis, digitaler zu werden, doch mit vielen Softwarelösungen war ich nicht zufrieden. Die Dokumentation sollte übersichtlich und gleichzeitig schnell umsetzbar sein. Einen Befund zu erstellen, ohne sich durch viele verschiedene Seiten zu klicken, war mir wichtig. Während meines Master-Studiums wurde mir zudem bewusst, wie zukunftsträchtig die Digitalisierung ist und wie weit die Schweiz im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Als Praxisinhaber ist es mir wichtig, effiziente Prozesse zu etablieren. Zudem macht es Spass, mit guten digitalen Lösungen zu arbeiten.
Die Möglichkeiten sind inzwischen sehr vielfältig geworden. Neben der Befund- und Verlaufsdokumentation haben wir die Möglichkeit, den E-Mail-Verkehr mit dem Patient:innen-Dossier zu verknüpfen, so dass die gesamte Korrespondenz an einem Ort ersichtlich ist. Zudem haben wir im Dossier alle Dokumente wie MRI, Röntgen, Arztberichte etc. organisiert. Fragen, Aufträge und sonstige Erinnerungen können wir effizient über die Software abwickeln, indem wir Verknüpfungen zu den Patient:innen oder der Rechnung herstellen. Es war schon lange ein Wunsch von mir, Assessements wie Fragebögen (PROMs) digital zu versenden und diese im Patient:innendossier direkt abzuspeichern und auszuwerten. Ich habe nun die Möglichkeit, diesen Prozess zu automatisieren. So erhalten zum Beispiel alle Patient:innen am Ende einer Behandlungsserie einen Feedbackfragebogen zugestellt. Diese Möglichkeit zu haben, erhöht die Qualität des gesamten Arbeitsprozesses erheblich. Viele unserer Patient:innen erhalten ihr Heimprogramm digital zugeschickt. Sie können das Programm als PDF herunterladen oder die Übungen direkt über eine App abrufen und sich dabei anleiten lassen. Die Raum- und Ferienplanung sind weitere Elemente, die wir digitalisiert haben . Insgesamt ist mir wichtig, viele Möglichkeiten zu haben, mich zu organisieren, Anpassungen schnell vorzunehmen und dass dies alles intuitiv umsetzbar ist. Schlussendlich muss die Software die Bedürfnisse einer Praxis erfüllen können, was je nach Praxis sehr unterschiedlich sein kann.
Nein, Angst habe ich nicht wirklich. Es geht darum, das Risiko abzuschätzen, was für mich als Laie in der Welt der Digitalisierung schwierig ist. Jedoch versuche ich, mich so gut wie möglich zu informieren und eine Softwarelösung zu finden, die sicher erscheint. Meine Softwarefirma hat mehrere Serverstandorte, so dass bei einem Ausfall kein Datenverlust entstehen sollte. Allerdings ist der Gedanke, Verantwortung bei der Datensicherheit abzugeben, gewöhnungsbedürftig. Ob ich meine Daten in der Cloud speichere, ist eine Vertrauensfrage.
Wir haben unsere physischen Ordner in einem feuerfesten Schrank im Keller verstaut und ich bin froh, dass wir kaum noch Ordner brauchen, weil wir fast alles digital sichern. Dies geschieht über unsere Software. Wir laden auch alle Berichte (MRI, Röntgen, Unfallschein etc.) digital hoch und haben sie so übersichtlich beim jeweiligen Patient:innendossier abgelegt. Zudem sichern wir unsere eigene Festplatte mehrmals pro Jahr.
Wir arbeiten wesentlich effizienter, sind weniger fehleranfällig und wir müssen keine unleserlichen Schriften mehr entziffern. Ich kann von überall auf meine Daten zugreifen. Dies ist zum Beispiel praktisch für Domizilbehandlungen, Altersheimbesuche oder wenn ich gewisse Arbeiten von zu Hause aus erledigen möchte. Wir sparen Unmengen an Papier und können die Daten einfacher organisieren. Wir können Prozesse automatisieren und somit nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch unsere Arbeitsqualität steigern. Durch die digitale Terminvergabe und -erinnerung haben wir deutlich weniger verpasste Termine und damit auch weniger administrativen Folgeaufwand.
Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Jeder Schritt kostet Zeit und Energie. Zudem ist der Wechsel von einer Software zu einer anderen mit sehr viel Aufwand verbunden. Daher sollte man sich gut informieren, welche Bedürfnisse abgedeckt werden sollten, bevor man sich für eine Software entscheidet. In meiner achtjährigen Praxistätigkeit habe ich nun zum zweiten Mal einen Softwarewechsel vollzogen. Lange Zeit dachte ich, dass meine Bedürfnisse kaum von einer einzigen Software abgedeckt werden können. Umso glücklicher bin ich, dass ich meine jetzige Software gefunden habe und ich viele Prozesse automatisieren kann. Besonders die Möglichkeit Assessments zu implementieren, war für mich bedeutsam. Jede Veränderung kostet Energie, Zeit und Nerven. Die Frage sollte nicht sein: Wie viel Aufwand habe ich kurzfristig für die digitale Umstellung? Sondern vielmehr: Wie viel Aufwand werde ich langfristig haben, wenn ich nichts verändere?
Grundsätzlich dauert alles länger, als man denkt. Es ist wichtig, genug Zeit einzuplanen. Vor der digitalen Umstellung haben unsere Physiotherapeut:innen alle administrativen Prozesse selbst abgewickelt. Mit der Zeit übernahm unsere Mitarbeiterin am Empfang viele Aufgaben, damit sich die Physiotherapeut:innen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren konnten. Dass ist ein weiterer Vorteil der Digitalisierung: Nicht jede:r muss alles wissen und können.
Wir dokumentieren nur noch digital. Alles, was nicht digital ist, wird eingescannt. So haben wir immer einen vollständigen Überblick über alle Dokumente und nichts geht in der Papierflut unter.
In den letzten Monaten hat sich bei uns einiges getan. Bevor wir im Juli in unsere neue Praxis umgezogen sind, haben wir im Frühling die Software gewechselt. Dadurch haben sich viele Abläufe und Strukturen verändert, die noch optimiert werden müssen. Die Schnittstelle zwischen Administration und dem Physioteam ist eine Herausforderung im Alltag.
Digitales Dokumentieren ist die Zukunft und es braucht zu Beginn etwas Mut und Vertrauen, diesen Schritt zu wagen. Es gibt in einer Praxis nie den optimalen Zeitpunkt für eine solche Umstellung. Daher ist meine Empfehlung: Einen Tag X definieren und dann Schritt für Schritt einzelne Bereiche digitalisieren. Wichtig ist, damit zu beginnen und sich nicht gleich beim ersten Stolperstein entmutigen zu lassen. Ich war zum Beispiel mit vielen Aspekten bei meiner vorherigen Software nicht zufrieden, habe aber dennoch mit der digitalen Dokumentation begonnen. Es kann leichter sein, zuerst nur die Verläufe digital zu dokumentieren, später dann die Befunde, danach allgemeine Dokumente und so weiter – einfach Schritt für Schritt.
Im Moment sind wir dabei, unsere Prozesse zu optimieren und die Assessments weiterzuentwickeln. Das Optimieren hört wohl nie auf.