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Fortbildungsabschlüsse und Infrastruktur

Fort- und Weiterbildungen in der Physiotherapie verbessern die Kompetenzen – doch bedeutet das automatisch mehr Geld? Sie erfahren, warum Zuschläge für zusätzliche Qualifikationen oder eine moderne Infrastruktur im aktuellen Tarifsystem schwierig umzusetzen sind und welche Perspektiven es für die Zukunft gibt.

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Informationen: Fort- und Weiterbildungsabschlüsse / Infrastruktur

Zuschlagspositionen für erweiterte Kompetenzen (Wissen und Können) sind nicht so einfach umzusetzen, da es gilt, die WZW-Kriterien (Wirksamkeit/Zweckmässigkeit/Wirtschaftlichkeit) zu beachten. Eine höhere Entschädigung ist daher nur gerechtfertigt, wenn die Therapie durch eine Weiterbildung/Ausbildung effizienter oder qualitativ besser würde. Bei vielen alltäglichen Therapien ist dies jedoch nicht zwingend der Fall. So wird die Behandlung eines Kreuzband- oder Meniskushenkelrisses nicht unbedingt schneller abgeschlossen sein, auch wenn der Therapeut oder die Therapeutin über eine Zusatzausbildung oder einen Masterabschluss verfügt. Zu viele äussere Faktoren, insbesondere die Patient:innen betreffend, fliessen hier ebenfalls mit ein.

Gut zu wissen

Wenn zwei Therapeut:innen die gleiche Therapie zu unterschiedlichen Preisen anbieten würden, dürfte die Krankenversicherung nur die günstigere Leistung vergüten. Nur bei Qualitäts- oder Effizienzunterschieden wäre ein höherer Preis gerechtfertigt. Der Nachweis einer höheren Qualität ist jedoch schwierig und langwierig zu erbringen und liegt derzeit für keine physiotherapeutische Leistung vor.  

Selbst wenn die Fort- und Weiterbildung einen messbaren Einfluss auf die Qualität hat, ist die Einführung eines «Wissenszuschlags» nicht so einfach: Wenn eine Therapeutin oder ein Therapeut mit Zusatzausbildung nachweislich eine qualitativ bessere und effizientere Behandlung erbringt, würde dies bedeuten, dass diese Behandlung auch nur noch von Therapeut:innen mit dieser Zusatzausbildung durchgeführt werden darf.
Im Umkehrschluss: Falls ein Therapeut ohne Zusatzausbildung die gleiche Behandlungsqualität erbringt wie eine Therapeutin mit Zusatzausbildung bezahlt die Krankenkasse im Rahmen der OKP nur die kostengünstigere Behandlung.

So oder so würde man durch eine höhere Entlöhnung, die an Fort- und Weiterbildungen gebunden ist, verschiedene Gruppen von Spezialist:innen schaffen (Einführung Dignitäten). Diese dürften dann bestimmte Leistungen anbieten – oder eben nicht. In der Physiotherapie ist dies derzeit nur bei der Hippotherapie, der komplexen Lymphdrainage und dem Dry Needling der Fall.

Physioswiss vertritt zur Zeit die Haltung, dass alle Physiotherapeut:innen möglichst viele Leistungen anbieten können sollen, weshalb wir keine unterschiedlichen Vergütungskategorien festlegen. Auch bei der Einführung von Dignitäten könnten nur spezifische Leistungen je nach Abschluss unterschiedlich vergütet werden.

Beispiel:
Falls eine Therapeutin eine Zusatzausbildung in Beckenbodenphysiotherapie hat, könnte sie nur diese Behandlung zu einem höheren Tarif abrechnen. Alle anderen Leistungen werden zum «normalen» Tarif abgerechnet.

Fazit:
Zurzeit werden bei den Grundleistungen der OKP keine unterschiedlichen Ausbildungs- und Zusatzausbildungsabschlüsse berücksichtigt.

Gut zu wissen

Im ärztlichen Tarif TARMED gibt es sogenannte Qualitative Dignitäten. «Damit ist die fachliche Qualifikation gemeint, konkret die in der Weiterbildungsordnung geregelten Facharzttitel, Schwerpunkte und Fähigkeitsausweise» (FAQ zu Tarmed, BAG). Würde in der Physiotherapie Tarifpositionen abgestuft nach Abschluss eingeführt werden, dürften gewisse Leistungen nur noch von bestimmten Gruppen von Physiotherapeut:innen durchgeführt werden, was dem Einführen von Dignitäten entspricht.

Wie sieht es aber mit Zuschlägen für die Behandlung mit teurer oder moderner Infrastruktur aus? Leider greifen auch hier die WZW-Kriterien: Solange eine Behandlung mit moderner oder teurer Infrastruktur nicht nachweislich qualitativ besser oder wirksamer ist, darf sie im Rahmen der OKP nicht zu einem höheren Preis finanziert werden. Die Krankenkasse bezahlt auch in diesem Fall nur die die Therapie, die das gleiche Ergebnis (qualitativ) am kostengünstigsten erbringt.

Fazit:
Somit sind auch Zuschläge für eine zusätzliche Praxis-Ausrüstung gesetzlich nicht möglich.

Darf man Patient:innen einen Aufpreis berechnen, wenn in einer Praxis neue, teure Geräte eingesetzt werden, die von der OKP nicht bezahlt werden? Oder dürfen Physiotherapeut:innen zusätzliche Sitzungen abrechnen, um die Kosten damit auszugleichen?
Auch dies ist nicht möglich und zudem illegal. Es gilt der Tarifschutz gemäss Art. 44 KVG: «Die Leistungserbringer müssen sich an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise halten und dürfen für Leistungen nach diesem Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen (Tarifschutz).» Bei jeder Behandlung, die über die Versicherung abgerechnet wird, darf somit kein weitere Zuschlag erhoben werden, selbst wenn die Patient:innen damit einverstanden wären.

Gut zu wissen

Tarifschutz bedeutet, dass Physiotherapeut:innen keine zusätzlichen Kosten für Leistungen der obligatorischen Grundversicherung verrechnen dürfen – selbst wenn Patient:innen diese freiwillig zahlen würden.

Gibt es also gar keine Möglichkeiten, modernere Infrastruktur oder bessere Abschlüsse (Zusatz- oder Weiterbildungen) in die Tarife einfliessen zu lassen?

Doch! Einerseits ist Physioswiss bestrebt, die Wirksamkeit moderner Methoden und Therapieansätze nachzuweisen und damit die Grundlage zu schaffen, dass die Kosten WZW-konform tarifiert werden können. Andererseits passt sich Physioswiss der Entwicklung in der Physiotherapie an und berücksichtigt die Kosten für moderne Behandlungsmethoden im allgemeinen Kostenmodell. So wird anerkannt, dass die Anschaffungskosten für Behandlungsmaterial durch modernere Methoden gestiegen sind, wovon alle Therapeut:innen profitieren. Dank der «KoDa-Studie» kann Physioswiss aufzeigen, wie die aktuelle Situation in den Praxen (Ist-Zustand) aussieht und die dafür entstanden Kosten in das Kostenmodell zur Tarifstruktur einfliessen lassen..

Auch die Einführung von Dignitäten ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings braucht dies eine lange Vorlaufzeit mit Einbezug von Expert:innen, Gesundheitsexpert:innen und unseren Mitgliedern, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Im Rahmen der aktuellen Tarifstruktur-Erneuerung wird dies nicht möglich sein.