Folgestürze: Wenn der Teufelskreis beginnt
Stürze beeinträchtigen die Lebensqualität älterer Menschen erheblich: Sie führen häufig zu Verletzungen, Krankenhausaufenthalten und können den Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim notwendig machen. In der Schweiz stürzt etwa jede vierte Person ab dem 65. Lebensjahr mindestens einmal pro Jahr – bei den über 85-Jährigen sind es sogar rund 31 % (1).
Was sind Folgestürze – und warum sind sie besonders kritisch?
Ein Folgesturz ist ein weiterer Sturz nach einem bereits erlebten ersten Sturz. Viele Betroffene entwickeln danach eine starke Angst vor dem nächsten Sturz. Diese Angst führt oft dazu, dass sie sich weniger bewegen und sich aus dem Alltag zurückziehen. Wenig Bewegung schwächt jedoch Muskeln und das Gleichgewicht, was das Risiko für weitere Stürze zusätzlich erhöht (2). Dadurch entsteht ein gefährlicher Teufelskreis.
Folgestürze sind häufig schwerwiegender als der erste Sturz. Die körperliche Belastbarkeit ist bereits eingeschränkt, und die Folgen – wie Handgelenks- oder Oberschenkelhalsbrüche, Kopfverletzungen oder ein erhöhter Pflegebedarf – können gravierend sein (2).
Physiotherapie wirkt: Effektiv und nachhaltig
Physiotherapie nimmt eine zentrale Rolle bei der Prävention von Folgestürzen ein. Durch gezieltes Training werden Muskelkraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit verbessert, während gleichzeitig das Vertrauen in den eigenen Körper gestärkt wird (1, 3).
Zentrale physiotherapeutische Massnahmen sind:
- Kraft- und Gleichgewichtstraining
Zur Stärkung der Beinmuskulatur und zur Verbesserung von Koordination und Standfestigkeit. - Individuelles Gangtraining
Bei Bedarf mit Gehhilfen, um die Sicherheit beim Gehen zu erhöhen. - Praktische Tipps für alltägliche Bewegungen
Zum Beispiel sicheres Aufstehen, Hinsetzen oder Treppensteigen. - Beratung zur Sturzprophylaxe
Zum Beispiel zur sicheren Gestaltung der Wohnumgebung und zur Anpassung von Alltagsroutinen.
Ziel der physiotherapeutischen Behandlung ist es, die Mobilität und die Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen, Sturzängste abzubauen und das Risiko weiterer Stürze deutlich zu senken.
Wissenschaftlich belegt: Physiotherapie zahlt sich aus
Die Studie der Berner Fachhochschule (BFH) zeigt klar: Physiotherapie zur Prävention von Folgestürzen ist wirksam (3). Auch internationale Studien und Guidelines empfehlen sogenannte multifaktorielle Interventionsprogramme, in denen die Bewegungstherapie eine zentrale Rolle spielt (4, 5). Diese Programme kombinieren gezielte Bewegung mit weiteren Massnahmen wie der Überprüfung von Medikamenten, Sehtraining oder Anpassungen im Wohnumfeld.
Gezieltes Training kann das Risiko für Folgestürze um bis zu 30 % senken. Es hat nicht nur positive Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf die psychische – vor allem, weil es das Vertrauen in die eigene Bewegungsfähigkeit stärkt (4).
Warum Physiotherapie mehr ist als nur Bewegung
Physiotherapeut:innen verbinden medizinisches Fachwissen mit praktischen Fähigkeiten und klinischer Erfahrung. Ihre Behandlungen basieren auf einer physiotherapeutischen Diagnose, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem individuellen Therapieziel.
Im Zentrum stehen eine gezielte, therapeutische Behandlung, Beratung und Instruktion – abgestimmt auf den Gesundheitszustand und die Ressourcen der Patient:innen. Ziel ist es, Beschwerden zu lindern, Funktionen zu verbessern und die Selbstständigkeit zu fördern.
Die Behandlung umfasst
- Aktive Massnahmen wie Bewegungstherapie, Training oder Atemtherapie
- Passive Techniken wie manuelle Therapie
Literaturhinweise
(1) Bundesamt für Statistik (BFS). Gesundheit älterer Menschen – Stürze [Internet]. Neuchâtel: BFS; 2022 [zitiert am 6. April 2025]. Verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/alter.html
(2) Meyer E. Sturz im Alter und seine Folgen. Ars Medici. 2016;(11):406–10.
(3) Schurz A, Taeymans J, Baur H, Lutz N. Die Rolle der Physiotherapie bei nichtübertragbaren Krankheiten und Sturzprävention in der Schweiz. Endbericht. Bern: Berner Fachhochschule; 2024.
(4) Gillespie LD, Robertson MC, Gillespie WJ, et al. Interventions for preventing falls in older people living in the community. Cochrane Database Syst Rev. 2012;(9):CD007146.
(5) Montero-Odasso M, Kamkar N, Pieruccini-Faria F, Osuka Y, Sarquis-Adamson Y, Bray NW, et al. World guidelines for falls prevention and management for older adults: a global initiative, Age and Ageing, Volume 51, Issue 9, September 2022.